Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch. (Friedrich Hölderlin)
Nun steht Weihnachten – „Das Fest der Liebe“ – direkt vor der Tür. Um mich herum erlebe ich manchmal jedoch mehr „Schreckensnachrichten“ und bloßen Weihnachtskommerz als „Liebe in Aktion“. Aber manchmal engagieren selbst große Wirtschaftsunternehmen, wie das folgende, welches von sich behauptet, „Lebensmittel zu lieben“, auch Menschen in Werbeagenturen und Filmschaffende, die Kommerz und „Liebe in Aktion“ miteinander verbinden können. Mich haben die folgenden Werbeclips, trotz ihres kommerziellen Hintergrunds, berührt:
Nun zum Thema „Angst und Hoffnung“, zu dem ich in diesem letzten Newsletter des Jahres einiges schreiben will, denn der darin liegende Spannungsbogen beschäftigt mich sehr.
Ich lese gerade immer mehr darüber, wie bei vielen Menschen die Angst zunimmt – und frage mich, ob diese nicht immer in ihnen ist, und nun nur mehr Auslöser findet? Im „Spiegel“ las ich kürzlich, dass 55% von Befragten einer repräsentativen Umfrage in Deutschland (übrigens vom Meinungsforschungsinstitut GfK;) ) „angsterfüllt in die Zukunft“ blicken. Diese Prozentzahl soll sich übrigens seit 2013 verdoppelt haben.
Da taucht auch bei mir Angst auf, insbesondere, wenn ich beobachte und lese, wohin es politisch gerade in Europa geht, und ich daran denke, was dies für geflüchtete Menschen und Menschen mit Migrationshintergrund bedeuten wird: „Der Rechtstrend bei Wahlen in Polen, Frankreich, Ungarn, Österreich, Schweden, Großbritannien, Dänemark oder der Schweiz zeigt in ganz Europa die große Verunsicherung der Bevölkerung, die Angst um den eigenen Wohlstand hat, sich vor Überfremdung fürchtet und nationale Interessen in den Vordergrund stellt.“ So ist die (gängige) Interpretation der Zahlen des Leiters der Meinungsumfrage.
Sabine Bode hat 2007 ein Buch über die – im angelsächsischen Raum so genannte – „German Angst“ geschrieben (hier eine Leseprobe). Dort bringt sie das Auftauchen von Angst (alternativ) mit Kriegserfahrungen in Zusammenhang. Sie schreibt über ihren Verdacht, der über die „fehlende Tiefenschärfe“ der Meinungsforschungsinstitute hinausgelangen will: „Können die Schatten der Vergangenheit ein Kollektiv über viele Jahrzehnte unterschwellig so stark belasten, daß für neue Herausforderungen, für ein tiefgreifendes Umdenken einfach die Kraft fehlt? Ist es das, was uns den Umgang mit Wohlstandsverlusten so schwer macht? Sind die tatsächlichen Ursachen für die heutige Mutlosigkeit schon über 60 Jahre alt?“ Und: „Viele Kriegskinder begriffen erst im Ruhestand, wie stark ihr Leben und ihr Verhalten von den frühen Schrecken geprägt waren. Die meisten sind jahrzehntelang nicht in der Lage gewesen, etwas laut zu denken, wofür ihnen keine Sprache zur Verfügung stand.“
Nun zur Hoffnung: Es gibt auch in der GFK-Welt einiges, das mir Hoffnung macht, das ich hier gern noch zu Weihnachten teilen will. Denn: „Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch.“
1. Heute morgen habe ich etwa eine 55-minütige, englischsprachige Dokumentation über eine GFK-Verstaltung in Nepal vor ca. einem Jahr gesehen. Sie zeigt mir, wie die GFK auch in schwierigen, scheinbar hoffnungslosen Situationen, zwischen Menschen aus verfeindeten Gruppen wirken kann: „In the eyes of the good: Supporting the Peace Process in Nepal with Nonviolent Communication Training and Restorative Dialogue“
„This documentary tells the story of former Maoist combatants, conflict victims, and government officials engaging in a restorative dialogue, following the aftermath of the 10-years armed conflict in Nepal. It shows what can happen when people are able to connect with one another across divides, beyond fear, stereotypes, and enemy images.“
2. „Culture of Peace in school with NVC“: In einer Schule in Dänemark wurden 40 Minuten gedreht, die auch eine Einführung in die GFK sind. (Ich selbst habe bisher übrigens nur kurz reingeschaut):
3. Und nicht zuletzt in meinen eigenen GFK-Veranstaltungen, die ich im zurückliegenden Jahr mit mehr als 60 Menschen an mehr als 60 Trainingstagen erleben durfte, habe ich ganz nah und konkret ganz viel „Rettendes“ und meine Hoffnung nährendes erfahren. Besonders genieße ich selbst dabei, dass wir in solch „Gemeinschaften auf Zeit“ einen anderen Umgang mit unseren Gefühlen praktizieren, der Vertrauen, Entwicklung und „Liebe in Aktion“ ermöglicht. Ich erfahre dabei immer wieder, wie uns gerade auch die – zuerst einmal oft „unwillkommenen“ – Gefühle wie Ärger, Angst und Trauer (und die zugrundeliegenden Bedürfnisse) miteinander in tiefere Verbindung mit uns selbst und anderen bringen.
Ich wünsche uns allen frohe Weihnachten und ein beseeltes neues Jahr!
Thomas Stelling
(Foto: gänseblümchen_pixelio.de)